«Ohne Titel» von Júlia N. Mészáros

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Veröffentlicht in “Új Művészet” (New Art Magazin), Budapest, 1990/2
Übersetzung aus dem Ungarischen.

Über die Bildhauerkunst von Gabriella Fekete

Die Kunst von Gabriella Fekete – der seit 1980 in Duisburg lebenden Bildhauerin – ist verwandt mit den Bestrebungen aller Künstler, die durch plastische Neuformulierung uralter Inhalte eine Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herstellen. Die Suche nach Mythen ist nicht charakteristisch für sie, ihre Werke haben doch eine mythische Stimmung. Die Erkenntnis der Bedeutungsfülle der Grundformen der Natur veranlasste sie, einen Weg zu gehen, dessen Stationen durch ihre kontinuierliche, konsequente Formvereinfachung der geschaffenen, sinnlich gestalteten Skulpturen gekennzeichnet ist.

Ihre Werke sind eine geheimnisvolle, verlorene Welt der Urnatur beschwörenden (Ur)elemente, Andenken archaischer Vergangenheit und unbekannter Zukunft, in Gefühls- und Gesinnungsinhalte einbegreifende, fantasievolle Formen. Sie sind monumental durch ihren plastischen Wert, suggerieren eine magische Kraft, in Naturform gewandelte Botschaften der Schöpferin an unser Zeitalter.

Gabriella Fekete wurde 1944 in Budapest geboren. Sie lernte zuerst an einer Düsseldorfer Privatschule die Grundlagen der Kunst kennen, dann ging sie nach Paris, schließlich wurde sie Schülerin von Sackenheim, Sieler, Kriecke und Irmin Kamp an der grafischen, später bildhauerischen Abteilung der Düsseldorfer Staatlichen Kunstakademie. Das Abitur legte sie noch in Ungarn ab.

An ihren frühen Werken ist die Wirkung von Wilhelm Lehmbruck, Ernst Barlach und Gerhard Marcks wahrzunehmen. (Großer Körper, 1971; Empordrang, 1971) Diese Werke sind durch Zerlegung von Körpern geschlossener Masse auf große Formen, streng aufgebaute, klare Struktur gekennzeichnet.

Nach Absolvierung der Meisterschule arbeitete sie als Stipendiatin in Paris und Düsseldorf und nachdem sie die äußeren geistigen Wirkungen losgeworden war, meldete sie sich mit gereiften Werken meditativer Natur.

Ihre ersten bedeutsamen Skulpturen schuf sie zwischen 1973 und 1978. Ihre Werke tief humaner und ethischer Grundhaltung spiegeln ihre Meinung wider über die mit gesellschaftlichen, politischen und sozialen Problemen schwangere menschliche Umgebung. Verbindung von Masse und Persönlichkeit, Verlust des Individuums, Entfremdung, tragische Schicksale, mechanische Wiederholung des Alltagslebens, uniformierter Mensch, Verletzungen der Seele, Vergänglichkeit, Verscheiden bilden ihre Forschungsgebiete.

Ihre Formen sind blockartige Menschenfiguren ohne Gesicht und Arme, unvollständige sitzende, stehende und liegende Figuren (Schachfiguren, 1973-74; Maschine, 1974; Wir, 1975; Namenlose, 1977), verbundene Gliederfragmente (Verletzung, 1975-76), menschliche Körper in ihrer physischen, sexuellen und gesellschaftlichen Ausgeliefertheit. Ihre unendliche Reproduzierbarkeit löst Furcht aus, ruft Bestürzung hervor, strahlt eine tragische Atmosphäre aus.

Der tatsächliche Inhalt ihrer Skulpturen verwandelt sich allmählich in eine abstrakte Aussage, ihre immer geschlosseneren Formen die Urvergangenheit beschwörende, an Stelen, Sarkophage erinnernde kultische Gegenstände sakraler Bedeutung (Ohne Titel, 1978). Die Grabmalnatur ist ein wichtiges Charakteristikum dieser Werke.

Im Zeitraum bis Anfang der 80-er Jahre verstärkte sich die formreduzierende Tendenz in ihrer Kunst weiter. Die früher oft verwendeten künstlerischen Ausdrucksmittel – Formvervielfältigung, Verbindung von Gaze, Eisenband und anderen Materialien an Plastik, einfarbiges, lebhaftes Malen, Verwendung besonders der roten Farbe – entfielen, die Künstlerin konzentrierte sich auf rein plastische Lösungen. Eines der hervorragendsten Ergebnisse dieser Periode, das den Keim der Weiterentwicklung in sich birgt, ist die 13-teilige Skulpturenkomposition aus Beton für den Hof der Schule in der Salzmannstraße in Duisburg. Jedes einzelne Element des monumentalen Werkes ist durch plastische Formreduktion der Buchstaben des Alphabets entstanden und beschwört (ur)natürliche Formen, die von der geometrischen Umgebung optisch wie auch in ihrem Geist grundsätzlich abweichen. Die Skulpturen funktionieren auch als Spielplatzelemente: man kann darauf sitzen, stehen und klettern, darunter Versteck spielen. Im Laufe ihres Gebrauchs erwacht die rigide gegenständliche Umgebung zu organischem Leben. In Abwesenheit der Kinderscharen jedoch beschwören sie die geistig-gegenständliche Umgebung einer geheimnisvollen Welt.

In der schöpferischen Tätigkeit von Gabriella Fekete wurde im Weiteren die Suche nach der Urform entscheidend. Die dazugehörigen Skulpturen vereinfachten sich zu prismatischen, kugel-, ei-, walzen- und kegelförmigen primären Zeichen. Den farbenfrohen oder weißen, glatten Formen folgten Plastiken, die rau, grob, einfarbig, aber reich an Tönen sind. Es war ein neues Merkmal, dass neben den Formen auch die Oberflächen zu ästhetischer Qualität wurden (7-teilige Betonkomposition im Hof des Duisburger Landfermann-Gymnasiums, 1979; Ohne Titel, Gipsskulpturen zwischen 1982 und 1985).

Ab Mitte der 80-er Jahre gewannen in ihrer Kunst erneut die mehrteiligen Kompositionen die Oberhand; neben den positiven Formen erschienen abdruckartige, flache Formationen – als Gegenpol der Plastik Negative oder Antiplastiken – als Teilelemente der Skulpturen (siehe ihre auf dem Győrer Symposium geschaffenen Werke). Der Charakter des Andenkens wurde noch kraftvoller betont, die abstrakten Formen erwecken durch die transponierten Figuren den Eindruck von Erinnerungsbildern zerstörter oder fremder Zivilisationen. Das Zeichen schrumpft zu einer Spur, einer mythischen Stimmung, eine Atmosphäre von Erinnerung, Ruhe und Feierlichkeit ausstrahlend.

Die den Ausführungsprozess widerspiegelnde Mehrschichtigkeit offenbart uns eine plastisch gestaltete Vorstellung von Vergänglichkeit, eine ästhetische Spannung zwischen Form und Fläche, eine innere Gesinnung, einer gleichzeitigen Urkraft und Urruhe (Ohne Titel, 1988).

Die Schöpfungen von Gabriella Fekete wirken ähnlich wie die elementaren Formationen der Natur mit elementarer Kraft. Sie sind individualisierte Urformen, empfindliche, bis zum Äußersten vereinfachte, reine Plastiken und ihre eigenen extremen Schattenbilder; ununterbrochene Verkörperungen ewiger Gegensätze von Leben und Tod, Geburt und Verscheiden. Und wie die Urformen demonstrieren sie auch ohne Titel die ununterbrochene Erneuerung der Natur und unbeschränkte Freiheit von schöpferischem Subjektivismus und Vergegenwärtigung.