Zeittafel, 1981
Beton und Eisen
28 m x 2 m
Im Erholungspark
Biegerhof in Duisburg
 
     

Film: Daniel Spellan

ZEITTAFEL, Eva-Maria Zacharias für Gabriella Fekete

Duisburg. Biegerpark.
Ein Ort fernab der städtischen Betriebsamkeit.
Hier hält die Natur der Zeit ihren Spiegel vor.
Etwas blüht … und vergeht … und kommt wieder.
Unter dem Herbstlaub der Frühling. Alle Jahre wieder: ein Auferstehungsritual.
Und ein Moment, an dem der Mensch seine Grenzen spürt.
Seine Lebenslinie führt unwiderruflich vorwärts.
Auf der Zeittafel für ihn: kein "Alles zurück auf Anfang".

Das Gefühl, dem Schicksal ausgeliefert zu sein, Einsamkeit und Verlorenheit sind zentrale Elemente im Werk der Bildhauerin Gabriella Fekete.

Ein graues, namenloses Heer erhebt sich hier aus der Parklandschaft.
Wenn alle in eine Richtung marschieren, baut sich Bedrohliches auf.
Am Ende des Weges könnte ein Denkmal für unbekannte Soldaten stehen.
Jahreszahlen … in endloser Folge.
Der Park mag friedlich erscheinen.
Doch mit der "Zeittafel" gewinnt die Ruhe eine andere Dimension. Ein "Momento mori" schwingt darin mit – ein existentielles Grundrauschen am Rande der Wahrnehmung.
März, 2017


Zeittafel, Anna Tyszecka

Im Erholungspark "Biegerhof" ist eine Skulptur, "Zeittafel", zu sehen. Auf der Wiese liegen Metallschienen, in deren Verlängerung menschliche Köpfe in Reihen aufgestellt sind. Die Zwischenräume zwischen den Schienen sind mit vierziffrigen, aus Metall gegossenen Nummern ausgefüllt. Fast wider Willen ist man versucht, nach einer Bedeutung in den Nummern zu suchen. Das gelingt aber nicht.
Die Mehrzahl der "Jahreszahlen" hat nichts mit dem jetzigen oder dem kommenden Jahrtausend zu tun. Es sind also nur einfache Zahlenreihen vor den in Reih und Glied stehenden, identisch gebildeten Köpfen. Diese Köpfe haben weder Gesicht, noch Augen und Ohren; eine stumme, namenlose Ansammlung - von früheren? von heutigen? von zukünftigen Menschen? Die Schöpferin dieser Skulptur, Gabriella Fekete, wollte auf diese Weise ein bestimmtes aktuelles Problem -den Menschen als bloße Nummer - darstellen, und sie tut dies auf erschütternde Weise. Die aus grauem Beton gegossenen Köpfe sind so weitgehend jeglicher Individualität beraubt, dass allein die ihnen zugewiesene Nummer ein Unterscheidungsmerkmal abgibt. Die Assoziationen drängen sich unwillkürlich auf. Es kommen einem die Zukunftsvisionen von Orwell in den Sinn und zugleich auch die schon historische Erfahrung -der Alptraum der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Eine letzte Pointe entsteht durch. den Kontrast zwischen der Skulptur und des in ihr enthaltenen Gedankens mit der paradiesisch schönen Umgebung des Parks.

Die bildnerischen Ausdrucksmittel, die Gabriella Fekete benutzt hat, sind von raffinierter Einfachheit, was die Rezeption des Werkes nicht unbedingt erleichtert. Sie führen jedoch einen bestimmten Abschnitt der schöpferischen Suche dieser jungen, aus Budapest stammenden, Bildhauerin weiter. Dieser Abschnitt zeichnet sich durch sehr persönliche schöpferische Bekenntnisse bezüglich des Menschen und des Wesens seiner Existenz aus: unendlich viel Pessimismus und unendlich viel Stoff für tiefgehende Gedanken! Die Expressivität des existentiell bedeutsamen Inhalts - immer beruhigt durch die einfache Form.

"Zeittafel" ist nicht nur ein künstlerisches Erinnerungsstück, das die Stipendiatin des lehmbruck-Stipendiums den Duisburgern hinterlassen wollte, sondern auch ein in vieler Hinsicht bedeutendes "Memento".